Die Abschaffung der Studienbeiträge – ein „Super-GAU“


Von Dieter Grillmayer

Das am 9. Oktober 2008 veröffentlichte „Times“-Ranking stellt der Qualität der österreichischen Hochschulen kein gutes Zeugnis aus. Nur die Universität Wien landete unter den besten 200 Universitäten der Welt, aber auch sie hat gegenüber dem letzten Ranking 30 Plätze verloren. Wenig überraschend werden die vorderen Plätze durchwegs von Universitäten besetzt, die sich durch rigorose Zugangsbeschränkungen und hohe Studienbeiträge auszeichnen.

Allerdings hätte es dieser Nachricht gar nicht bedurft, um die vier Tage vor der Nationalratswahl erfolgte Abschaffung der Studienbeiträge als „Super-GAU“ im Sinne von „größter anzunehmender Unsinn“ (Copyright Alexander Van der Bellen) einzustufen. Leider hat auch der beim Mehrwertsteuerthema recht vernünftig auftretende Wirtschaftsprofessor in dieser Frage den Fundamentalisten hervorgekehrt, der stur am Dogma festhält, der Zugang zu den Universitäten dürfe nichts kosten. Schwer vorstellbar, dass sich in der österreichischen Innenpolitik etwas zum Besseren wendet, solange Dogmen wie dieses und nicht der gesunde Sachverstand das Handeln der Parteien bestimmen.

Unter rationalen Gesichtspunkten gibt es kein einziges Argument, das die Abschaffung der Studienbeiträge rechtfertigt, ganz im Gegenteil. Ihre Einführung war nicht nur eine mutige, sondern vor allem eine faire und sozial ausgewogene Entscheidung der schwarz-blauen Wenderegierung, an der höchstens zu kritisieren ist, dass sie pro Jahr „nur“ 150 Millionen Euro in die Staatskasse bzw. den Universitäten gebracht hat. Angesichts der sich verschlechternden Wirtschaftslage und der enormen Staatsverschuldung ist es schlichtweg unverantwortlich, auf diese Einnahmen zu verzichten. Als Lenkungsmaßnahme hat die Einführung der Gebühr bewirkt, dass nur noch 15 anstatt früher 41 Prozent der Studierenden gar nicht zu Prüfungen antreten und dass sich die durchschnittliche Studiendauer von 14 auf 12 Semester reduziert hat.

Gegen den Missbrauch der teuren Universitäten

Es ist also nicht nur das zusätzliche Geld für die Hochschul-Finanzierung, sondern auch die Eindämmung von Missbrauch (Scheinstudium) sowie die schnelleren Abschlüsse, was für die Studienbeiträge spricht. Fairness und soziale Ausgewogenheit sind insofern im Spiel, als die Diskriminierung der Absolventen einer dualen Ausbildung, von der Lehrzeit bis zur Meisterprüfung, zumindest spurenweise gemildert wird. Denn für Lehrlinge gibt es nicht nur bereits mit 15 Jahren keine Kinderbeihilfe mehr, die Fortbildungswilligen unter den handwerklich und kaufmännisch Tätigen müssen auch tausende Euro für Fortbildungskurse berappen und dafür dürfen sie mit ihren Steuern dann noch das Studium der später besser verdienenden Akademiker mitfinanzieren. Selbstverständlich, lieber Herr Dr. Graf, ist auch der Vergleich mit dem Kindergarten zulässig, wo der kostenlose Zugang jedenfalls Priorität hätte. Dazu kommt als wichtigstes Argument von allen, dass dank einer großzügigen Rückerstattungs- und Stipendienregelung der kostenlose Hochschulzugang für alle, die es brauchen und/oder auf Grund besonderer Leistungen verdienen, nach wie vor gewährleistet war. Von einer Diskriminierung der „sozial Schwachen“, damit die „Reichen“ unter sich bleiben, kann also gar keine Rede sein.Dieses Totschlagargument aus der Mottenkiste des Linkspopulismus ist ebenso bösartig und haltlos wie die Behauptung, das gegliederte Schulwesen konserviere eine Zweiklassengesellschaft, indem es sozialen und beruflichen Aufstieg verhindere.

In der Zeit vor und nach der Parlamentsentscheidung haben sich nicht nur hochrangige Experten wie der Präsident der Universitätskonferenz und Rektor der Wirtschaftsuniversität Wien Univ.-Prof. Dr. Christoph Badelt, sondern auch viele direkt Betroffene zu Wort gemeldet. Stellvertretend für alle wird eine Leserbriefschreiberin wörtlich zitiert: „Bis vor kurzem war ich selbst Studentin, Studiengebühren sind für mich eine Grundsatzentscheidung. … Keine Frage, dass die Grundausbildung eines Menschen kostenfrei sein soll, aber sich für ein Studium entscheiden, betrifft nicht jeden. Außerdem kostet es den Staat, h.h. uns Steuerzahler und Steuerzahlerinnen, viel Geld. Die Studiengebühren zu bezahlen, ist demnach auch ein Schritt zur Bewusstseinsbildung, … Kostendeckend sind sie sowieso bei weitem nicht. …Jeder noch so berufswichtige Kurs in der Volkshochschule muss selber berappt werden. Sollte die Studiengebühr dennoch wieder abgeschafft werden, hätte ich gerne meine Beiträge wieder retour. Für ein kurzfristiges politisches Experiment wäre mir mein Geld, das ich in hundert Stunden Regalschlichten verdient hatte, doch zu schade.“ (Aus „Die Presse“, 29. August 2008)

Was aus dem mit der Abschaffung der Studienbeiträge inszenierten „GAU“ aber nun wirklich einen „Super-GAU“ macht, das sind die Folgekosten, die ein Ausbau der Hochschulkapazitäten an Raum und Personal erfordern wird. Denn abgesehen von den wieder zunehmenden Schein- und Bummelstudenten wird auch der Zuzug von Angehörigen aus anderen EU-Staaten an Österreichs Universitäten rasant zunehmen. Kurzfristig ist ein Ausbau der Infrastruktur sowieso nicht machbar, auch wenn Geld dafür vorhanden wäre, was aber ohnehin nicht der Fall ist. Die logische Folge sind entweder unzumutbare Studienverhältnisse bei allen nachgefragten Fachrichtungen oder rigorose Aufnahmebeschränkungen, denen auch viele österreichische Staatsbürger zum Opfer fallen werden. Das ist es, was SPÖ, FPÖ und GRÜNE mit ihrem Beschluss erreicht und auch zu verantworten haben.

Das Bildungssystem muss auf das Beschäftigungssystem achten

Wer die Auffassung vertritt, dass eine Bildungspolitik, die diesen Namen verdient, sowohl qualitäts- und leistungsorientiert als auch volkswirtschaftlich sinnvoll sein muss, der kann Aufnahmebeschränkungen in Form von Eignungstests und Eingangsprüfungen durchaus etwas abgewinnen. Auch dabei steht dem gesunden Hausverstand ein Dogma gegenüber, das besagt, dass jeder Maturant studieren soll (und auch dazu fähig sei), wonach er gerade Lust und Laune hat, und dass jeder Eingriff in diese „Freiheit“, und sei es auch nur durch das Schaffen besonderer Anreize oder das Errichten von qualitäts- und leistungsbezogenen Hürden, unstatthaft ist. Unter diesem Aspekt ist es natürlich müßig, eine Akademikerschwemme auf der einen und einen Mangel, etwa bei Technikern, auf der anderen Seite zu beklagen. Wäre es demgegenüber nicht eine sinnvolle Lenkungsmaßnahme, einem Diplom-Ingenieur nach erfolgter Graduierung die eingezahlten Studienbeiträge, so es sie gibt, zu refundieren, einem graduierten Psychologen jedoch nicht?

Zuletzt sei noch auf die Motive der drei „Abschaffungsparteien“ für diese offensichtliche Fehlleistung eingegangen. Bei „Rot“ und „Grün“ ist es wohl eine Mischung aus Fundamentalismus, Linkspopulismus und „Fluch der bösen Tat“, die „fortzeugend Böses muss gebären“. Denn nach einem weiteren Dogma der österreichischen Innenpolitik, wonach man als Oppositionspartei immer „dagegen“ sein muss, wurden die Studiengebühren bei ihrer Einführung durch die Regierung Schüssel-Riess wütend bekämpft und ihre Wiederbeseitigung zu einem Überthema gemacht, als ob wir in unserem Land keine anderen Sorgen hätten. Und wenn sich ein Werner Faymann nach geschlagener Wahl sofort wieder in dieses Thema verbeißt, dann ist ernsthaft zu befürchten, dass auch diesem SPÖ-Mann die Schuhe des Bundeskanzlers zu groß sind.

Völlig unverständlich ist die Komplizenschaft der FPÖ mit SPÖ und GRÜNEN in dieser Angelegenheit. Mangelnden Durchblick sollte man ausschließen können, hat die Partei doch in Martin Graf einen ihrer nicht so zahlreichen potenten Parlamentarier als Bildungssprecher. Die Wortwahl Grafs in seiner gegenständlichen Presseerklärung lässt allerdings auf schlechtes Gewissen schließen, wenn er dort zum Beispiel von „Abzocke“ spricht. Wenn man so will, dann ist alles Geld, das an den Fiskus abgeführt werden muss, eine „Abzocke“, vor allem wenn kein persönlicher Vorteil dabei herausspringt, wie das auf den sonst so befürsorgten „kleinen Mann“ zutrifft, dessen Steuergeld (auch) jedes Orchideenstudium mitfinanziert.

Ebenfalls, nur in einem anderen Sinn, kann auch bei der FPÖ von einem „Fluch der bösen Tat“ gesprochen werden. Indem die FPÖ nun schon zum zweiten Mal ihre eigene Regierungszeit schlecht macht, indem sie die seinerzeitigen Beschlüsse für falsch erklärt, muss sie völlig sprachlos zuhören und zusehen, wenn die politische Konkurrenz die Freiheitlichen schlichtweg als regierungsunfähig abstempelt, wie das derzeit gerade wieder einmal der Fall ist. In meinem Buch „National und Liberal – Die Geschichte der Dritten Kraft in Österreich“ habe ich ausführlich argumentiert, dass genau das Gegenteil der Fall ist, wenn den getroffenen Sachentscheidungen das Allgemeinwohl – und nicht vorrangig das Parteiwohl oder irgendeine fragwürdige Ideologie – unterlegt wird. Es schmerzt, dass ich damit nicht nur gegen den Strom der veröffentlichten Meinung, sondern auch gegen die aktuelle Parteimeinung habe anschreiben müssen.

Indem sich das BZÖ als Nachfolgepartei der seinerzeitigen FPÖ-Regierungsfraktion versteht, war der Schulterschluss mit der ÖVP in der Frage der Studienbeiträge hingegen verständlich und hat – zusammen mit dem Kippen der Faymann’schen Mehrwertsteuerpläne – wahrscheinlich auch zum Überraschungserfolg mit beigetragen.

Für die ÖVP gab Wissenschaftsminister Johannes Hahn am 13.09.08 im „Kurier“ wörtlich zu Protokoll: „Ich hoffe, dass nach dem 28. September die Vernunft siegt. Für uns sind die Gebühren schon eine Bedingung in den Gesprächen.“ Eine Koalitionsbedingung? „Ja“. Man darf gespannt sein, wie viel Hahns Vorwahl-Versprechen unter dem neuen ÖVP-Obmann Josef Pröll noch Wert ist bzw. ob und unter welchen Bedingungen eine neuerliche Zusammenarbeit Zwischen SPÖ und ÖVP zustande kommt.

 
HR Prof. i. R. Dieter Grillmayer war 18 Jahre AHS-Direktor in Steyr und maßgeblich engagiert in der Freiheitlichen Lehrerschaft.

Bearbeitungsstand: Montag, 10. Jänner 2011

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