Wider die Abschaffung von Mann und Frau


Eine kritische Analyse des Gender Mainstreaming

 

Barbara Rosenkranz, MenschInnen – Auf dem Weg zum geschlechtslosen Menschen, Ares Verlag, Graz 2008, 168 Seiten

 

Eine Buchbesprechung von Gerulf Stix

Wenn Männer sich über den ausufernden Feminismus aufregen, ernten sie zwar bei vielen ihrer Geschlechtsgenossen Beifall, doch nur Spott bei ihren Kontrahentinnen und vielleicht ein mildes Lächeln bei Menschen, die sich um einen objektiven Überblick bemühen. Völlig anders stellt sich das dar, wenn eine Frau in den Ring des Gender-Streites steigt und gegen die zeitgeistig-modische Verwischung der Geschlechtsunterschiede zwischen Frau und Mann das Wort ergreift. Genau das tut Barbara Rosenkranz in diesem Buch. Und sie ist nicht irgendeine Frau, die wegen ihrer vielleicht „nur“ konservativen Rolle als Ehefrau und Mutter sowieso als unmaßgeblich von eingeschworenen Feministinnen abgetan werden könnte. Nein, Barbara Rosenkranz gehört zu den erfolgreichen Frauen, die sowohl ihre Rolle in Mutterschaft und Familie wie in der Öffentlichkeit überzeugend wahrnehmen. Selbst zehnfache Mutter – und damit gewiss eine Sondererscheinung – wirkte sie seit 1993 als Landtagsabgeordnete in Niederösterreich und von 2002 bis 2008 als Abgeordnete zum Nationalrat in Wien. Gegenwärtig ist sie Mitglied der niederösterreichischen Landesregierung. Somit erhalten ihre theoretischen Darlegungen auch praktisches Gewicht dank ihrer Vita als frauliche Persönlichkeit.

Um gleich am Anfang ein mögliches Missverständnis auszuräumen, sei außer Diskussion gestellt, dass hier die rechtliche wie die gesellschaftliche Gleichstellung von Mann und Frau nicht zur Debatte steht. Die Berechtigung und Notwendigkeit der Gleichrangigkeit von Frau und Mann ist kein Diskussionsthema, sondern für freiheitliche Menschen eine Selbstverständlichkeit. Dass diesbezüglich in unseren Lebensordnungen noch Nachholbedarf festzustellen ist, steht auf einem anderen Blatt. Dieses Buch richtet sich nicht gegen die Gleichrangigkeit, sondern gegen das politisch planmäßige Hinarbeiten auf den ideologisch angestrebten „geschlechtslosen Menschen“.

Den vordergründigen Rahmen bieten die erschreckend niedrigen Geburtenziffern insbesondere in Mitteleuropa. Bevölkerungswissenschafter sprechen bereits von einer im Gange befindlichen „demographischen Katastrophe“. (Siehe dazu unter RÜCKBLENDE hier in diesem Genius-Brief). Rosenkranz stellt einen Zusammenhang mit einer „Krise der Eliten“ unter den Frauen und den zeitgeistigen Lebensentwürfen fest. Auch verweist sie auf geschichtliche Erfahrungen. Besonders deutlich arbeitet sie heraus, wie dominierend sich eine in erster Linie bloß ökonomische Betrachtungsweise in dieser weit über die Wirtschaft hinaus reichenden allgemein menschlichen Frage Geltung verschafft hat. In einer Tabelle werden systematisch die wesentlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen einerseits aktiven Müttern und andererseits offiziellen Frauenreferentinnen gegenüber gestellt. Hierbei geht es um Teilzeitarbeit der Mütter, Kinderbetreuungseinrichtungen u.s.w. Zusammenfassend heißt es: „Ganz offenkundig gibt es einen gewaltigen Gegensatz zwischen den Meinungen der Betroffenen und den Ansichten, die sogenannte Experten und Politiker vertreten.“ (Seite 26). Die offizielle Frauenpolitik zielt auf eine möglichst hohe Frauenbeschäftigungsquote in der arbeitsteiligen Wirtschaft. Diesem Ziel werden die familiären Belange ebenso wie die erzieherischen Bedürfnisse der Kinder systematisch untergeordnet. Rosenkranz prangert das „Barcelona-Ziel“ der EU, das „für die Familien- und Frauenpolitikerinnen völlig unbestritten“ ist, scharf an: Nur um eine möglichst hohe Frauenbeschäftigung zu gewährleisten, sollen u. a. „mindestens 90% der Kinder über 3 Jahren bis zur Erreichung der Schulpflicht außer Haus betreut werden“.

Gender Meanstreaming als ideologisches Projekt

Der interessanteste Teil des Buches befasst sich mit den ideologischen, pseudowissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Hintergründen des Gender Mainstreaming. Dieser inzwischen geläufige Begriff wird eingehend erklärt, analysiert und in seine Verästelungen verfolgt. Dazu wird auch seine Entstehungsgeschichte ausgeleuchtet. An Hand spannend beschriebener Fallstudien werden pseudowissenschaftliche Versuche geschildert, die auf nicht mehr und nicht weniger abzielen als auf die Ableugnung der natürlichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Die Unterschiede in der Rolle der Geschlechter seien eigentlich nur soziologisch-gesellschaftlich bedingt und daher in Zukunft abzuschaffen. „Dieser Gedanke ist nicht neu, er kommt schon 1949 bei der ,Urmutter’ der Feministinnen (das Prädikat verbietet sich eigentlich), bei Simone de Beauvoir, vor: Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es. (On ne nait pas femme, on le devient.)“ (Seite 37).

Heute gibt es eine regelrechte Inflation an Gender-Studien. So heißt es beispielsweise im Koalitionsvertrag zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom Oktober 2002: „Wir werden ein GenderKompetenzZentrum aufbauen, das die Einführung von Gender Mainstreaming in alle Politikbereiche unterstützt, Forschung initiiert, Wissen bündelt und Expertinnen und Experten ausbilden wird.“ An den Universitäten Mitteleuropas gibt es heutzutage über 100 Lehrstühle für Frauenforschung bzw. Gender-Studies.

Rosenkranz sucht nach den historischen Wurzeln für diese augenscheinlich hochmoderne Ideologie und findet sie im Marxismus. Belegt durch Zitate, schreibt sie zusammenfassend: „Es sind marxistische Ideen, die heute unter dem Namen Gender Mainstreaming Eingang in die Politik linker wie bürgerlicher Verantwortungsträger gefunden haben: Frauen sollen gänzlich für außerhäusliche Arbeiten zur Verfügung stehen… Man schafft ,Kinderpflegeanstalten’, ,Erziehungshäuser’, ,Staatsküchen’ …“ (Seite 75). Im Kern geht es ganz materialistisch um die völlige Eingliederung der Frau in den arbeitsteiligen Arbeitsprozess und um öffentliche Kindererziehung. Der neue sozialistische Mensch lässt grüßen! In der verblichenen Sowjetunion wurde bekanntlich alles unternommen, um diesen neuen Menschen im sozialistischen Paradies zu schaffen. Vordergründig argumentieren die marxistischen Theoretiker, es gehe um die Besserstellung der unterdrückten Frau – schlimme Verhältnisse, die es ja wirklich gab, – während das eigentliche Ziel die Schaffung eines geschlechtsneutralen Einheitsmenschen ist.

Passend hierzu sei angemerkt, dass die schon erwähnte Schriftstellerin Simone de Beauvoir ebenso wie ihr Lebensgefährte, der französische Philosoph Jean-Paul Sartre, leidenschaftliche Anhänger des Kommunismus waren. Rosenkranz schreibt: „Simone de Beauvoir bildet gewissermaßen das Bindeglied zwischen den beiden Strömungen Marxismus und Feminismus, aus denen sich die heutige Ideologie Gender Mainstreaming gleichermaßen speist.“ Die Verfasserin unterscheidet klar zwischen den verschiedenen Spielarten von Feminismus und befürwortet durchaus jene, in der es um die Gleichberechtigung der Frauen in der Gesellschaft, um Zugang zu allen Berufs- und Bildungseinrichtungen u. s. w. geht. Hingegen lehnt sie jene Verschmelzung von Feminismus und Neo-Marxismus ab, die sich im Zuge der jüngsten „sexuellen Revolution“ als tonangebend herausgebildet hat.

Vorbildliche Familienpolitik in Frankreich

Die demographisch verheerenden Auswirkungen des Gender Mainstreaming werfen natürlich die Frage auf: Was ist zu tun? Rosenkranz hält hier den Eliten insofern den Spiegel vor, als sie deren Gesellschaftsvorstellungen die – durch empirische Sozialforschung belegt – davon deutlich abweichenden Wunschvorstellungen der weitaus überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung gegenüber stellt. Mit Recht leitet sie daraus den gesellschaftspolitischen Auftrag ab, gegen die Dominanz des Gender Mainstreaming mit aller Entschlossenheit anzukämpfen. Was die praktische Geburten- und Familienpolitik anbelangt, so verweist Rosenkranz auf das günstige Beispiel eben jenes Landes, aus welchem Simone de Beauvoir stammt, nämlich auf Frankreich. Und sie fordert die Politiker und Politikerinnen auf: „Von Frankreich richtig lernen!“

Insgesamt ist das Buch sehr flüssig geschrieben. Die eingängige Argumentation stützt sich auf seriöse, aussagekräftige Statistiken, Schaubilder und Forschungsergebnisse mit genauen Quellenangaben. Im Anhang findet sich ein Verzeichnis konzentriert ausgewählter Literatur sowie ein Namensverzeichnis. Bemerkenswert sind die ebenfalls beigefügten 15 Kurzbiographien von männlichen und weiblichen Vertretern der Gender-Theorie, von August Bebel bis Alice Schwarzer. Alles in allem eine verdienstvolle Arbeit.

„Zukunft ist möglich“, lautet der abschließende Befund Barbara Rosenkranz’: „Es handelt sich beinahe ausschließlich um ein Versagen der so genannten Eliten der betroffenen Staaten. Diese Erkenntnis ist erschreckend und tröstlich zugleich. Denn man kann dem Übel abhelfen, indem man die falschen Eliten, die heute das Sagen haben, durch neue, wirklich zukunftsbezogene familienfreundliche Verantwortliche ersetzt.“

Der Verfasser dieser Buchbesprechung weiß aus Erfahrung, worum es wirklich geht. Er ist selbst Vater mehrerer Töchter und Söhne, die alle lebenstüchtig geworden sind (darunter etliche Akademiker und Akademikerinnen) und die ausnahmslos alle bereits ihrerseits für zahlreichen Nachwuchs gesorgt haben. Und er weiß auch, wie sehr seine Frau die Seele der Familie ist. Ja: Zukunft ist möglich!

Bearbeitungsstand: Montag, 10. Jänner 2011

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