Von Dieter Grillmayer
Seit 28. Oktober 2014 ist auf Facebook eine Seite mit dem Namen „Stimmen für Menschlichkeit“ aktiv, in der mittlerweile über 20 Personen aus dem Bereich Schauspiel, Kunst, Wissenschaft etc. auf Sujets mit ihrem Konterfei samt Zitaten abgebildet werden. Alle haben sie gemeinsam, dass sie die FPÖ insgesamt und besonders deren Parteiobmann, aber auch die FPÖ-Wähler attackieren, indem sie diese als Faschisten oder bestenfalls als Dummköpfe brandmarken.
In dem Sujet, das den als „Kaiser“ bekannten Schauspieler Robert Palfrader zeigt, wird ein vier Jahre altes Zitat ausgegraben, in dem Palfrader zehn Prozent der FPÖ-Wähler unter „Nazi“ einordnet. Beim Rest handle es sich um „frustrierte arme Hund“, die gegen ihr eigenes Leben protestieren. „Ostbahn-Kurti“ Willi Resetarits wiederum meint, die FPÖ sei draufgekommen, dass man mit „Hass“ Wählerstimmen lukrieren kann und nütze das schamlos aus. Der Sänger Hubert von Goisern will der FPÖ die Verwendung seiner Lieder bei Veranstaltungen verbieten, während Hirnforscher Niels Birbaumer Vergleiche mit Hitler zieht und Wähler kritisiert, die diese „Scheiße noch einmal wählen“.
Die Sujets lassen eine gewisse Professionalität erkennen, sodass gemutmaßt werden darf, bei der Seite „Stimmen für Menschlichkeit“ handle es sich um eine gesteuerte Kampagne der SPÖ im Hinblick auf die Wiener Wahlen im nächsten Jahr. Bürgermeister Häupl hat ja schon angekündigt, er werde in der Wahlwerbung Toleranz und Menschlichkeit besonders herausstellen. Es wäre auch nicht das erste Mal, dass sich entweder auf direktem Weg oder über den ORF staatlich alimentierte Künstler politisch instrumentalisieren lassen.
Das Ganze ist nur ein kleines Beispiel für die Hetze gegen die FPÖ, die inzwischen unerträglich geworden ist und einen spätestens seit „Knittelfeld“ abseits stehenden Ur-Freiheitlichen geradezu dazu zwingt, für die Strache-Partei wieder „Partei“ zu ergreifen. Man muss nicht jede Äußerung eines FPÖ-Politikers gutheißen, aber insgesamt ergibt sich doch ein Bild, dass in dieser Partei mehr die Vernunft regiert und der Wille des Staatsvolkes ernster genommen wird als in allen anderen. Es ist daher ein Gebot der Stunde, den „Stimmen für Menschlichkeit“ Stimmen für Vernunft und demokratischen Anstand entgegenzusetzen.
Das wichtigste Motiv dafür ist eine von den Grünen geschlossen, von SPÖ und NEOS mehrheitlich und von der ÖVP teilweise verfolgte völlig verfehlte Gesellschaftspolitik, die sich durch eine kaum noch zu überbietende Realitätsferne auszeichnet, zu welcher mir außer Verbohrtheit keine Erklärung einfällt. Jüngstes Beispiel ist der empörte Aufschrei der genannten Kreise zur höchst vernünftigen Forderung nach Wiedereinführung von „Schulstrafen“. Jeder erfahrene Pädagoge weiß, dass ein Gutteil der derzeitigen Probleme im Bildungswesen darauf zurückzuführen ist, dass es seit dem 1974 in Kraft getretenen Schulunterrichtsgesetz an den österreichischen Schulen praktisch keine Disziplinierungsmöglichkeiten mehr gibt. Diesem Mangel ist abzuhelfen, wenn es mit Anstand und Bildung in Österreich wieder einmal bergauf gehen soll.
Ein Blick auf die finnische Schul- und Interventionskultur wäre lehr- und hilfreich. Der wesentlich wertschätzendere Umgang von Lehrern, Schülern und Eltern miteinander wird überhaupt nicht dadurch gestört, dass dort „Strafaufgaben“ und „Nachsitzen“ als Erziehungsmittel auf der Agenda stehen. Und niemand fragt danach, wie der länger in der Schule festgehaltene Zögling nachhause kommt, wenn er das sonst übliche Verkehrsmittel dadurch verpasst. Entweder muss er zu Fuß gehen oder die Eltern müssen ihn abholen und sind solchermaßen ebenfalls daran interessiert, dass Pflichtverletzungen wie nicht gemachte Hausaufgaben oder ein ungebührliches Benehmen in Hinkunft unterbleiben.
Die FPÖ ist derzeit die einzige Partei, die in gesellschaftspolitischen Fragen geschlossen einen Kurs verfolgt, der sich an Vernunft und Erfahrung orientiert, wie es uns die großen Aufklärer von Thomas Hobbes bis Immanuel Kant gelehrt haben. Dass den „einfachen Leuten“ in Österreich das rechte Gespür trotz linker Dauerberieselung noch nicht abhanden gekommen ist, das zeigen alle Meinungsumfragen, wie etwa jene zur Verschandelung der Bundeshymne – eine herbe Enttäuschung für Maria Rauch-Kallat-Mensdorff-Pouilly und die anderen Polit-Emanzen, welche die Sache angezettelt haben. Eine Partei, welche unter dem Druck einer kleinen, aber gut organisierten Lobby der genannten Verschandelung im Parlament zugestimmt hat, die hat aufgehört, eine Volkspartei zu sein. Das Wesentliche am demokratischen Prinzip ist, dass Stimmen gezählt und nicht gewogen werden. Das mag einem passen oder nicht, aber wer sich demokratisch nennt, der sollte sich danach richten.
Sohin ist es geradezu zwingend, dass die FPÖ beim Wahlvolk immer mehr Zulauf erhält. Auch beim zu Recht dominierenden Ausländerthema werden von ihr nicht unbegründete Ängste und dunkle Triebe angesprochen, sondern der gesunde Menschenverstand: Wo kommen wir wohl hin, wenn alle Erdenbürger, denen es zuhause schlecht geht, nach Österreich einwandern und unsere mit unserem Steuergeld finanzierten Sozialeinrichtungen in Anspruch nehmen? Brauchen wir da nicht Gesetze, die den Standort für Wirtschaftsflüchtlinge weniger attraktiv machen, die den illegalen Zuzug und das Scheinasylantentum einbremsen sowie eine effiziente Abschiebepraxis gewährleisten? Eine „Menschlichkeit“, welche den Rechtsstaat aushöhlt, welche der Willkür Tür und Tor öffnet, welche den Bürgern eines Staates ihr „Recht auf Daheimsein in der eigene Nation“ (Günter Nenning – ein Sozialdemokrat!) streitig macht, ist aus rationaler wie auch aus ethischer Sicht äußerst fragwürdig.
Übrigens ist die Flüchtlingswelle, die wir derzeit kaum bewältigen können, großteils hausgemacht bzw. die Folge einer verfehlten US- und EU-Außenpolitik. Sie hat durch völkerrechtswidrige offene militärische oder verdeckte „moralische“ Unterstützung von Revolutionären mit dubiosen Motiven die stabilen und von der Mehrzahl der Einwohner gut geheißenen Machtverhältnisse in Libyen und in Syrien zerstört. Und im Irak haben die USA nach ihrem illegalen Feldzug die dortige Armee aufgelöst und so nicht nur ein Machtvakuum geschaffen, sondern auch den Grundstein für das Entstehen bewaffneter Banden gelegt.
Die FPÖ der 1960er- und 1970er-Jahre war nicht nur die erste Grünpartei, sondern auch die erste Europapartei Österreichs. Die angestrebte europäische Einigung bedurfte und bedarf immer noch großer Anstrengungen und umsichtiger Politiker. Sie hat in der EU eine Ausformung gefunden, die schon deswegen zu akzeptieren ist, weil wir keine bessere haben. Der von Jörg Haider initiierte Kurswechsel der FPÖ zu einer betont EU-kritischen Partei hat mich immer irritiert. Die neueren Entwicklungen, angefangen mit der linkslastigen Kritik an einem souveränen EU-Staat, nämlich Ungarn, dessen Regierung vom Volk mit großer Mehrheit getragen wird, über die Vergemeinschaftung der Schulden bankrotter Mitgliedsstaaten bis zu der schon genannten fragwürdigen Außenpolitik irritieren mich aber inzwischen noch mehr.
Umsichtige Politiker, wie der heute 87jährige Hans-Dietrich Genscher einer war, der die vom Westen initiierte Verlegung des Eisernen Vorhangs an die russische Grenze für einen schweren Fehler hält, sind inzwischen Mangelware. Zehnmal klüger wäre es gewesen, Russland ins europäische Boot zu holen, als dessen legitime Interessen durch eine halsbrecherische Ukraine-Politik zu verletzen. Auch eine Frau Merkel wird ihre Reputation bald los sein, wenn sie sich weiterhin von den USA gängeln lässt. Putin wird sein den russischen Brüdern im Donbass gegebenes Versprechen, sie nicht im Stich zu lassen, ganz gewiss halten, da werden ihn keine wie auch immer gearteten Sanktionen daran hindern. Die Vernunft gebietet Gespräche auf Augenhöhe.
So hat die FPÖ auch mit ihrer EU-Kritik gute Karten, beim Wähler zu punkten. Meinungsumfragen weisen ihr schon jetzt den ersten Platz vor den etwa gleich starken (bzw. schwachen) Regierungsparteien zu. Diese täten gut daran, anstelle untergriffige Kampagnen wie „Stimmen für Menschlichkeit“ gegen die FPÖ zu reiten, ihre Politik auf Kompatibilität mit den Wünschen ihrer eigenen Wählerschaft hin zu überprüfen.
Die FPÖ wiederum sollte schleunigst damit anfangen, ihren Funktionärskader umzuschulen, wenn sie nicht als (mögliche) Regierungspartei ein drittes Mal scheitern will. Anders als die freiheitliche Wählerschaft, die eher gelassen damit umgeht, wenn Wahlversprechen und Parteitagsbeschlüsse nicht eins zu eins umgesetzt werden (können), neigen freiheitliche Funktionäre nämlich dazu, Parteispitze und Regierungsmannschaft in so einem Fall weg zu putschen. Knittelfeld habe ich schon erwähnt. Etwas mehr Pragmatismus wäre wünschenswert.