Gelebte Demokratie von „Ostdeutschen“ lernen


Mercedessterne werden die in Geiselhaft befindliche deutsche Seele nicht erhellen können

 

Von Helmut Müller

Grenzen seien die schlimmste Erfindung, die Politiker jemals gemacht haben, soll Jean Claude Juncker beim Forum Alpbach gesagt haben. Ob nach dem dritten oder vierten Glas ist nicht bekannt. Jedenfalls ein Unsinn, was der Luxemburger da von sich gab. Könnte aber auch ein Ablenkungsmanöver gewesen sein. Grenzenlose Offenheit und bunte Vielfalt als neue europäische Tugenden werden uns zwar rund um die Uhr eingebläut, aber still und leise werden uns schon wieder neue Grenzen, wenn auch nicht in jedem Fall territoriale, aufgezeigt. Grenzen gegen stärkeres Nationalbewusstsein etwa.

So ist auch das EU-Anpassungsunternehmen Bundesrepublik Deutschland bemüht, alte Grenzen zu schleifen, neue zu ziehen. Neuerdings vermehrt in Sachen „anderes Profil für Deutsche“. Noch aber gilt es einige Hindernisse zu überwinden. So auch die Kaltstellung von an unerwünschten Denkmustern festhaltenden „Querköpfen“ im ehemaligen Mitteldeutschland. Die bei „Ostdeutschen“ noch in vernünftigem und notwendigem Maß vorhandenen alten deutschen Tugenden und Werte sind einfach nicht kompatibel mit einer neuen Gesellschaft.

Also geht ein diesbezüglich mentaler Riss mitten durch eine ohnehin im Umbruch und in tiefer Sinnkrise befindliche deutsche Gesellschaft. Dazu ist allerorten Nivellierung, auch sinkendes moralisches Niveau festzustellen. Vor allem macht sich bei vielen Politikern die Allgegenwart eines geistig-moralischen Sink- und Tieffluges bemerkbar, so dass deren rechtzeitige Entfernung und die Entrümpelung des verrotteten Bildungssystems wie auch dessen Neuausrichtung als eine unvermeidbare nationale Aufgabe betrachtet werden muss.

Da glänzte der aus Aachen gebürtige Politiker Armin Laschet in der Fernsehsendung „hart aber fair“ mit der Aussage, im „Osten“ hätten „ganze Landstriche nicht gelernt, Respekt vor anderen Menschen zu haben“: Mit diesen „anderen“ meinte er in erster Linie die in Dresden mit „unsäglichen Worten“ (Moderator Plasberg) empfangene Regierungsspitze. In der Tat, die Straße gibt sich manchmal hart und – oh je! – gar nicht fair. Mit „gelebter Demokratie“ (André Poggenburg) hätte sich ja schon ein anderer Aachener, der Sachsenschlächter Karl, schwer getan.

Doch im Vergleich zur Arroganz vieler Politiker und zum verantwortungslosen Wirken der Dame Merkel, die eine eher privilegierte DDR-Vita auszeichnet, sind die Vorfälle von Dresden wohl eher „peanuts“. Gut, „Merkel muss weg, das könne man sagen“, aber „Pöbeleien am Tag der deutschen Einheit“, das gehe zu weit, so, mit einer Ausnahme, die politisch korrekte Runde, darunter ein sich aufplusternder ehemaliger Stern-Journalist und ein ansonsten nicht unsympathischer Matthias Platzeck.[1]

Jener aber, den man am ARD-Pranger festnageln wollte, der bereits erwähnte junge AfD-Politiker André Poggenburg, blieb gelassen und gab den von seinen Gegnern genannten Vorfällen bei Merkels Besuch in Dresden den richtigen Namen: Empörung. Und er vertrieb den gutes Benehmen einmahnenden Etablierten, der auch die eifernde Gabriel-Vertraute Iris Gleicke angehörte, mit dem Hinweis auf das Prolo-Verhalten des Herrn Gabriel[2] für Sekunden die Scheinheiligkeit aus deren Gesichtern.

Zuletzt aber durfte natürlich ein als Frage getarnter Vorwurf nicht fehlen: Wie kommt es, dass gerade in den neuen Ländern, wo viel weniger Fremde sich aufhielten als im Westen, die Fremdenfeindlichkeit so groß sei? Ja, ist man denn schon fremdenfeindlich, wenn man Angst vor chaotischen, ja grauslichen Zuständen wie im Westen hat? Doch das interessiert nicht, man schwafelt lieber vom friedlichen Zusammenleben in bunter Vielfalt und vom noch bunteren Durcheinander und verurteilt, nicht selten schon pauschalierend, die „Nazis“ im Osten. Vielfach haben wir es da mit reinen Opportunisten zu tun, denen jede Empathie für das Eigene abhanden gekommen ist.

Wie wäre es, wenn zumindest naive, fehlgeleitete Traumtänzer einmal die Scheuklappen abnehmen würden. Die anderen Deutschen, also die im Osten der Bundesrepublik, sehen doch genau, was sich im Westen bereits abspielt und noch anbahnen dürfte; sie möchten also klugerweise Vorsorge treffen, ihre Heimat und ihre Kultur schützen und „deutsch“ bewahren, bevor es zu spät ist. Sollte das bereits verboten sein? „Ossis“ sehen klaren Blicks im Westen eine tote Politiker-Generation agieren, ohne hehre Ideale, ohne Moral, nur dem einen verpflichtet, das System, das sie ernährt, zu erhalten.

Nun hat unlängst ausgerechnet ein junger Flüchtling, wohl stellvertretend für die meisten Fremden im Lande, es ganz richtig erkannt: In Deutschland gebe es „keine klaren Werte und keine Orientierung“, meinte er. Ähnlich sah es wohl jener japanische Journalist, der sich in seiner Heimat über den absurden Fremdenkult in Deutschland lustig gemacht hatte. Ein von kultureller und historischer Tiefe losgelöstes Traumtänzergeschwafel ist eben zu wenig.[3] Die Mehrheit der Deutschen hat längst Hunger nach etwas anderem. Mercedessterne allein werden die in Geiselhaft befindliche deutsche Seele auf Dauer nicht erhellen können.

Anmerkungen

[1] Brandenburgs ehemaliger Ministerpräsident (SPD) 

[2] Zeigte dem „Pack“ den Stinkefinger. 

[3] Was eigentlich von Gauck oder Merkel erwartet wird, tat überraschenderweise Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), ein „Ostdeutscher“ eben. Er hat ein mangelndes Nationalbewusstsein der Deutschen beklagt. „Obwohl es uns ökonomisch gut geht wie selten zuvor, sind wir uns unserer selbst, unserer Identität nicht sicher genug“, sagte er dem Magazin „Stern“. „Wir wissen nicht mehr genau, wer wir sind und wer wir sein wollen. Was uns als Deutsche ausmacht…“ Danke, Herr Maizière!

Zum Thema

Land im Ausnahmezustand: https://youtu.be/X3pZHSrMP4c

Bearbeitungsstand: Donnerstag, 26. Jänner 2017

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