Zitaten-Truhe


Von Aesop, um 600 v. u. Z., griechischer Dichter, bekannt u. a. für Fabeln und Gleichnisse.

Der Hund und das Schaf

Ein Hund brachte vor Gericht vor, er habe dem Schaf Brot geliehen; das Schaf leugnete alles, der Kläger aber berief sich auf drei Zeugen, die man vernehmen müsste, und brachte drei bei. Der erste dieser Zeugen, der Wolf, behauptete, er wisse gewiss, dass der Hund dem Schaf Brot geliehen habe; der zweite, der Habicht, sagte, er sei dabei gewesen; der dritte, der Geier, hieß das Schaf einen unverschämten Lügner. So verlor das Schaf den Prozess, musste alle Kosten tragen und zur Bezahlung des Hundes Wolle von seinem Rücken hergeben.

  • Wenn sich Kläger, Richter und Zeugen wider jemand vereinigt haben, so hilft die Unschuld nichts.

Drei Stiere und der Löwe

Drei Stiere schlossen miteinander ein Bündnis, jede Gefahr auf der Weide mit vereinten Kräften abzuwehren; so vereinigt, trotzten sie sogar dem Löwen, dass dieser sich nicht an sie wagte.
Als ihn eines Tages der Hunger arg plagte,
stiftete er Uneinigkeit unter ihnen.
Sie trennten sich, und nach nicht acht Tagen
hatte er alle drei, jeden einzeln, angegriffen und verzehrt.

  • Eintracht gibt Stärke und Sicherheit, Zwietracht bringt Schwäche und Verderben.

Der Eber und der Fuchs

Ein Fuchs sah einen Eber seine Hauer an einem Eichstamme wetzen und fragte ihn, was er da mache, da er doch keine Not, keinen Feind vor sich sehe?
„Wohl wahr“, antwortete der Eber, „aber gerade deswegen rüste ich mich zum Streit; denn wenn der Feind da ist, dann ist es Zeit zum Kampf, nicht mehr Zeit zum Zähnewetzen.“

  • Bereite dich im Glück auf das künftige Unglück; sammle und rüste in guten Tagen auf die schlimmern.

Der mit Salz beladene Esel

Ein mit Salz beladener Esel musste durch einen Fluss, fiel hin und blieb einige Augenblicke behaglich in der kühlen Flut liegen. Beim Aufstehen fühlte er sich um einen großen Teil seiner Last erleichtert, weil das Salz im Wasser geschmolzen war. Langohr merkte sich diesen Vorteil und wandte ihn gleich am folgenden Tage an, als er mit Schwämmen belastet durch ebendiesen Fluss ging.
Diesmal fiel er absichtlich nieder, sah sich aber arg getäuscht. Die Schwämme hatten nämlich das Wasser angezogen und waren bedeutend schwerer als vorher. Die Last war so groß, dass er erlag.

  • Sei vorsichtig mit Mitteln: das eine dient nicht für jeden Fall.

Der Esel und der Fuchs

Ein Esel und ein Fuchs lebten lange freundschaftlich zusammen und gingen auch miteinander auf die Jagd. Auf einem ihrer Streifzüge kam ihnen ein Löwe so plötzlich in den Weg, dass der Fuchs fürchtete, er könne nicht mehr entfliehen. Da nahm er zu einer List seine Zuflucht. Mit erkünstelter Freundlichkeit sprach er zum Löwen:
„Ich fürchte nichts von dir, großmütiger König! Kann ich dir aber mit dem Fleische meines dummen Gefährten dienen, so darfst du nur befehlen.“
Der Löwe versprach ihm Schonung, und der Fuchs führte den Esel in eine Grube, in der er sich fing.
Brüllend eilte nun der Löwe auf den Fuchs zu und ergriff ihn mit den Worten: „Der Esel ist mir gewiss, aber dich zerreiße ich wegen deiner Falschheit zuerst.“

  • Den Verrat benutzt man wohl, aber den Verräter liebt man doch nicht.
Bearbeitungsstand: Montag, 25. November 2019

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